Die Kärntner Nachkriegsmoderne, der Pyramidenkogel & die Sprengung einer Zeit: ein Nachruf
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Abb.1:“alter“ Pyramidenkogel Wie einst >Pruitt Igoe< wurde das weithin sichtbare Denkmal der Kärntner Nachkriegsmoderne gesprengt (am 12. Oktober 2012). Diese Sprengung symbolisiert das Ende einer Ära die im Kärnten der „Häuselbauer“ nie Fuß fassen konnte. Damals in den 60iger Jahren schien es legitim in prominenter Nähe zum „Wörthersee Jet Set“ ein zukunftsweisendes Zeichen zu setzen. Dieses Zeichen wurde neben anderen Setzungen wie dem Parkhotel in Pörtschach oder auch dem Werzer in Pörtschach[1] dem Gestaltungswillen einer Zeit gerecht. Abb.2: Parkhotel, Pörtschach Während der Pyramidenkogel gesprengt wurde sind die anderen Zeichen in Zeiten einer neu entfachten Applikationswut verhübscht worden. Der in den 60iger Jahren errichtete Pyramidenkogel wurde restlos entfernt – die Geschichte dieser Zeit wird im Jetzt laufend visuell und permanent ausgeblendet. Architektur ist ein Politikum und deswegen muss sie Büsen – ideologische Zeichen einer anderen gesellschaftlichen Ordnung haben zu verschwinden! – Oder? Das einzige was bleibt ist die Erinnerung – die wie wir wissen – sich nur aus der Erfahrung nährt – welche aber auf Grund ihrer Sterblichkeit auch verschwinden wird. Die Sprengung ist Symbol für den Umgang und das Verständnis mit und für Architektur – man könnte behaupten in Kärnten aber wahrscheinlich ist das ein österreichisches Phänomen. Die auf einem Stahlbetonpylon errichtete Aussichtsplattform war für mich als Kind der 80iger Jahre nie hässlich – nie stellte ich die Frage einer Hässlichkeit genau so wenig wie sich für mich die Frage eines Innen oder Außen stellt.[2] Schon damals bewunderte ich die fragile Eleganz die von diesem Konstrukt ausging. Zeitlos und leicht schwebte die Plattform über dem Wörthersee und wies den Weg in eine Zukunft die weit weg schien vom Satteldach und Krüppelwalmdach. Die Plattform erweiterte den Horizont bis an den Beginn der Krümmung und dort an diesem Scheitelpunkt ließ sich damals eine Erweiterung der Fernsicht vermuten. Diese Fünfeckige asymmetrische Plattform in 40 Meter Höhe erinnerte mich an die Welt der >Jetsons<[3] – an ihr schwereloses Haus, welches in ferner Zukunft dann aber doch so nah schien. Abb.3: Der „alte“ Pyramidenkogel und sein elegant wirkende Plattform Die Formensprache war zukunftsweisend – die Ausformulierung der einzelnen Details folgte einer Notwendigkeit die in ihrem Konglomerat der einzelnen Teile zu einem Ganzen in außerordentlicher Qualität fand. Die Form folgte nicht der Funktion sondern die Funktion folgte der Form – wenn man schon mit solchen Antonymen spielen muss. Der Name Pyramidenkogel ist institutionalisiert – aber wie es scheint hat die perspektivische Qualität dieses Bauwerks nie in der breiten Masse eines provinzialen Architekturverständnisses Fuß fassen können. Aus heutiger Perspektive ist die Verkleidung sinngemäßer Ausdruck und Rechtfertigung für Neubauten – das Lindner Seeparkhotel am Südufer des Wörthersees – ein Kasten verkleidet mit einer Fassade die jedem postmodernen Griff in die Trickkiste der Inhaltslosigkeit bei weitem Übertrifft. In Anbetracht der Generationendilatation könnte man behaupten, dass die Sprengung des Pyramidenkogels in Kärnten so etwas wie eine Neopostmoderne eingeläutet hat! Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die letzte Instanz in Bauentscheiden bei den jeweiligen Bürgermeistern der Gemeinden liegt. Die Revitalisierungskosten für den alten Pyramidenkogel waren das Argument für eine Sprengung und dem anschließenden Neubau. Eine Parse – denn die Wiederinstandsetzung hätte 7,5 Millionen gekostet der Neubau kostete in der „billigen“ Ausführung offiziell 8 Millionen Euro – die inoffiziellen Kosten lagen ohne Frage höher. Ich frage mich ob das Steinhaus Domenigs in Steindorf am Ossiachersee auch irgendwann gesprengt wird – denn selbst die laufenden Instandhaltungskosten werden mit dem jetzigen „Kulturbetrieb“[4] nicht gedeckt. Würde dieses Argument für die Sprengung nur irgendeiner Logik folgen steht die Sprengung aller Baudenkmäler – die natürlich auch immer Ausdruck und Zeichen der jeweiligen Zeit sind – bevor. Neben einem potemkinschen Hotel am Südende des Sees entstand ein Phallus artiger Prügel als neues Wahrzeichen für das >Fernsehen< in Kärnten – der neue Pyramidenkogel. Abb.4: Alter Pyramidenkogel Abb.5: Neuer Pyramidenkogel Der neue Pyramidenkogel ist die Geschwulst eines entarteten mutierten provinziellen Architekturverständnisses. Eine mit Holz aufgehübschte Stahlkonstruktion – die in jeglicher Hinsicht dem Material nicht gerecht wird – thront nun über dem Wörthersee. Im Inneren mit Rutsche für die Kinder – wie „Nett“ kann man da nur sagen! So steht dieses brachiale weil eben nicht elegante Bauwerk – ähnlich einem >Norman Foster Vibrator< – auf diesem Hügel. Aber das Gebäude – der neue Pyramidenkogel – ist eben nicht von Norman Foster und wir befinden uns nicht mehr in den >Nuller< Jahren (und schon gar nicht in Barcelona oder London) kurz nach der Jahrtausendwende in denen es notwendig schien dem Phallussymbol neuen Ausdruck zu verleihen. Dieses Etwas – der neue Pyramidenkogel steht in keiner Tradition zu seinem Vorgänger sondern ist der billige Versuch einen Katalysator für die Akkumulation von Kapital zu schaffen. Ein ohne Frage epischer Fehlversuch dessen Konsequenz aber Wahrscheinlich mit den Scheuklappen der umliegenden Berge nie zum Vorschein treten wird – denn der Horizont hört ja bekanntlich bei den Karawanken auf!? Tragisch für ein Land das sich mit seiner Natur nicht verstecken muss – aber für die Natur kann der Mensch an sich nichts, sie ist einfach Teil des selbigen?! J.-M. Printschler, Stuttgart 2014 [1] Anm.d.Verf.: Vor der „Sanierung“ hätte sich dieses Hotel ohne Probleme in die Reihe der Designhotels ähnlich dem Hotel Daniel in Graz einordnen können. Der jetzige Anblick dieses Hotels lässt sich für mich nicht in Worte fassen. [2] Anm. d. Verf.: >Innen< und >Außen< definiert sich nur durch eine intersubjektive Erfahrung des Selbst in der Umgebung und als Gegenpool zu anderen Individuen, ist also wenn nur im Sinne einer operationalen Wirklichkeitskonstruktion von Bedeutung – und hat deswegen in der Architektur abseits eines potemkinschen Verständnisses nichts zu suchen! >Innen< und >Außen< müssen zu einem Ganzen verschmelzen – sind also Eins! – denn sie sind wie wir Teil einer individuellen aber intersubjektiven operationalen Umgebungskonstruktion. [3]Anm.D.Verf.: In der Zeichentrickserie „die Jetsons“ schwebten die Gebäude auch nur anscheinend – eigentümlicher weise wahren alle auf einem Pylon. Abgesehen von ihrer organischen Form – welche unvermeidlich auf Eero Saarinen verweist – waren es immer auskragende Plattformen d.h. eine schwebende Ebene. [4] Anm.d.Verf.: Selbst die Schweinezucht ist Kulturbetrieb. Der Mensch lebt in einer sich selbst geschaffenen konstruierten Wirklichkeit die auf Grund ihrer scheinbaren aber für die meisten augenscheinliche Kausalität alles – alles Artifizielle wenn man das vom Menschen geschaffenen so nennen mag – als Kulturgut entlarvt. Die im Steinhaus gezeigten Veranstaltungen sind Willkürlich – ähnlich der parteiischen Luden – ihnen scheint egal welche Architektur prostituiert wird. Das Blau vom Steinhaus wechselte zum Orange im Pyramidenkogel doch der Hintergrund der Profilierung und Agitation durch Kultur ist immer noch auf der gleichen Ebene einer verstaubten und zu verurteilenden Ideologie vorhanden. Die Farbe ist eine andere – ich frage mich welche wird die Dritte sein?! Vielleicht hat sie schon am Südufer des Wörthersees ihr schändliches Denkmal?! Abbildungen: Artikelbild & Abb.1:“alter“ Pyramidenkogel: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/92/Aussichtsturm_pyramidenkogel.jpg Wie einst >Pruitt Igoe< wurde das weithin sichtbare Denkmal der Kärntner Nachkriegsmoderne gesprengt. Diese Sprengung symbolisiert das Ende einer Ära die im Kärnten der „Häuselbauer“ nie Fuß fassen konnte. Damals in den 60iger Jahren schien es legitim in prominenter Nähe zum „Wörthersee Jet Set“ ein zukunftsweisendes Zeichen zu setzen. Dieses Zeichen wurde neben anderen Setzungen wie dem Parkhotel in Pörtschach oder auch dem Werzer in Pörtschach[1] dem Gestaltungswillen einer Zeit gerecht. [1] Anm.d.Verf.: Vor der „Sanierung“ hätte sich dieses Hotel ohne Probleme in die Reihe der Designhotels ähnlich dem Hotel Daniel in Graz einordnen können. Der jetzige Anblick dieses Hotels lässt sich für mich nicht in Worte fassen.
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